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Start für das revidierte VVG 2022

Unser Leben wird immer fortschrittlicher. Da bremsen uns eingestaubte Gesetze aus. Um das Versicherungsvertragsgesetz wieder etwas in die Gegenwart zu katapultieren, wurde es per 01.01.2022 revidiert. Was die wichtigsten Änderungen sind, sagen wir Ihnen.

Elektronische Textform ist neu anerkannt

Für bspw. Kündigungen wurden bis anhin gemäss VVG noch die postalische Form mit Unterschrift vorausgesetzt. Die moderne Variante per E-Mail war nur auf Goodwill der Versicherungsgesellschaften anerkannt. Neu ist es nun gesetzlich anerkannt, dass die elektronische Form bereits ausreicht. Dies gilt im Übrigen auch für schriftliche Stellungnahmen seitens Versicherer.

Gefahrsminderungen

Bisher konnte der Versicherungsnehmer eine Herabsetzung der Prämie bei einer wesentlichen Gefahrsminderung zwar verlangen. Hat der Versicherer die Forderung begründet abgelehnt, musste der Kunde die Begründung so hinnehmen. Neu kann er in so einem Fall den Vertrag innerhalb von 4 Wochen nach Zugang der Stellungnahme vom Versicherer kündigen. Dies gilt auch, wenn der Kunde mit der angebotenen Reduktion nicht einverstanden ist.

Anzeigepflichts- und Obliegenheitsverletzungen

Hat der Versicherungsnehmer Antragsfragen nicht richtig beantwortet und kommt es in dem Bereich

zu einem Schadenfall, so konnte der Versicherer Leistungskürzungen/ -ablehnung zum eingetretenen Schaden aussprechen. Neu gilt, dass der Versicherer für eingetretene Schäden nur insofern Kürzungen vornehmen kann, als dass die falschen Angaben sich auf den Schaden ausgewirkt haben. Ähnliches gilt auch bei Obliegenheitsverletzungen, sodass ergriffene Massnahmen neu nur spezifisch auf die Verletzung hin ausgeübt werden dürfen und nicht generell auf dem gesamten Vertrag.

Neu: Widerrufsrecht von 14 Tagen

Ab 2022 können Versicherungsnehmer Anträge innert 14 Tagen nach Abschluss widerrufen, sodass der Antrag rückwirkend als unwirksam gilt.

Abschlagszahlungen im unklaren Leistungsfall

Ist bei einem Schaden die Leistungspflicht seitens Versicherer noch nicht ganz klar, konnte der Versicherer bisher eine Zahlung verweigern, bis der Fall geklärt war. Neu ist er zu Abschlagszahlungen bis zur vollen Forderungshöhe verpflichtet, die allenfalls zurückgezahlt werden müssen.

Verjährungsfrist wurde verlängert

Die Verjährungsfrist wurde von bisher 2 Jahren auf 5 Jahre erhöht. Erhöhung gilt allerdings nicht für kollektive Krankentaggeldversicherungen.

Rückgriffsansprüche Haftpflichtversicherung

Neu sind Rückgriffsansprüche Dritter über die Haftpflichtversicherung mitversichert. Dadurch werden insbesondere direkt angeforderte Regresszahlungen an den verursachenden Arbeitnehmer von kantonalen/ sozialen Versicherern über die Betriebshaftpflicht seines Arbeitgebers mit abgedeckt. Vorher stand der Arbeitnehmer ohne Versicherungsschutz in solchen Fällen da, da Regresszahlungen in der Betriebshaftpflicht ausgeschlossen waren und die Privathaftpflicht keine Schäden aus Berufstätigkeiten absichert.

Direktes Forderungsrecht

Je nach Haftungsgesetz bestand das direkte Forderungsrecht oder eben nicht. Dies bewirkte nicht nur Verwirrung (was gilt nun?), sondern auch teils hilflose Situationen für den Geschädigten, wenn dieser Forderungen nicht direkt bei der leistungspflichtigen Gesellschaft einfordern konnte und auf die Kooperation des Verursachers angewiesen war. Neu wird dem Geschädigten generell ein direktes Forderungsrecht eingeräumt.

Fristen zur Kündigung

Bisher galt, dass Verträge erstmalig nach Ablauf der Vertragslaufzeit gekündigt werden können. Je nach Vertrag war dies meist nach 5 Jahren. Neu gilt, dass alle Verträge zum ersten Mal nach 3 Jahren unabhängig einer längeren Laufzeit gekündigt werden können. Davon unberührt bleiben nach wie vor ein vereinbartes jährliches Kündigungsrecht sowie eine kürzere Laufzeit als 3 Jahre.

Kein Kündigungsrecht von Krankenzusatzversicherungen im Schadenfall

Das Kündigungsrecht im Schadenfall wird nur noch dem Versicherungsnehmer zugesprochen, wenn es sich um eine Zusatzversicherung zur sozialen Krankenversicherung handelt.

Für wen gelten die Neuerungen?

Das VVG ist als «Grundrecht» für alle ihm unterstellten privatrechtlichen Versicherungsverträge zu sehen und gilt daher für alle Versicherungen bis auf Kollektiv-Lebensversicherungen (BVG), obligatorische Unfallversicherungen (UVG, nicht aber UVGZ!), Krankentaggeld-Versicherung nach KVG sowie Sozialversicherungen. Das gilt sowohl für Neuverträge als auch Bestandsverträge. Viele Versicherer nehmen die VVG-Revision jedoch zum Anlass, um ihre AVB allgemein anzupassen.